In diesem Blogbeitrag stellen wir Dir das Instrument «Wettbewerblichen Dialog» oder kurz «Dialog» vor, welches im Rahmen von Öffentlichen Beschaffungen genutzt werden kann. Umgangssprachlich wird oft vom «Dialogverfahren» gesprochen, obwohl der Dialog kein eigenständiges Verfahren darstellt. Heute noch wenig bekannt und wenig genutzt, birgt der Dialog ein enormes Potential. Insbesondere bei komplexen Beschaffungen, bei welchen der Beschaffungsgegenstand zu Beginn noch unklar ist, eignet sich ein iteratives resp. agiles Projektvorgehen sehr gut.
Im Zuge der Revision des öffentlichen Beschaffungsrechts (WTO-Übereinkommen, BöB, VöB, IVöB) wird ab dem 1. Januar 2021 der Dialog nun auch auf Kantons- und Gemeindeebene als Instrument zur Verfügung stehen und damit sicherlich breiter zur Anwendung kommen.
Gerne möchten wir Dir aufzeigen, wie der wettbewerbliche Dialog funktioniert und wie man diesen zusammen mit dem agile.agreement noch besser nutzen kann. Wir möchten Dir unsere Erfahrungen mit dem Dialog weitergeben und aufzeigen, warum der Dialog in Kombination mit dem agile.agreement das ideale Instrument für die Beschaffung und Führung komplexer resp. agile Vorhaben ist.
In einer Welt, in der alles komplexer wird, sind die herkömmlichen Beschaffungsverfahren oftmals hinderlich. Die Frage bleibt, wie schreibe ich einen Gegenstand aus, bei dem ich noch gar nicht weiss was es alles braucht? Wie kann ich erforderliches Wissen und Innovationsfähigkeit der Anbieter einfliessen lassen?
Das Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen sieht vier verschiedene Vergabeverfahren vor:
- Offenes Verfahren
- Selektives Verfahren
- Einladungsverfahren
- Freihändige Vergabe
Seit dem 1. Januar 2010 gibt es für die Beschaffungsstellen auf Bundesebene die Option, im Rahmen eines Offenen oder Selektiven Verfahrens einen sogenannten „Dialog“ durchzuführen, ab dem 1. Januar 2021 ist dies auch auf Kantons- und Gemeindeebene möglich.
Die Anwendung des Dialogs ist jedoch auf komplexe oder intellektuelle Beschaffungen begrenzt.
- Komplexe Beschaffung heisst, dass es für den Beschaffenden nahezu unmöglich ist, die beste Lösung oder die beste Vorgehensweise für ein Problem im Voraus zu kennen. Es wäre folglich wenig effizient, dies ohne Dialog umsetzen.
- Intellektuelle Beschaffungen sind Projekte, bei denen die geistigen Leistungen wichtiger sind als das Ergebnis. Die Leistungen basiert auf Kreativität und Innovation, wie zum Beispiel bei der Entwicklung von Software.
Der Dialog deckt somit das Bedürfnis ab, bereits in einer frühen Phase des Vergabeverfahrens einen Austausch der beteiligten Parteien (Beschaffer und Anbieter) zu ermöglichen.
Es handelt sich dabei um einen Lernprozess, bei dem mögliche Lösungsansätze und Vorschläge zusammen besprochen und weiterentwickelt werden können. Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich bei den Lösungsansätzen sowohl um ein Produkt als auch um ein Vorgehen (Methode) handeln kann. Der Lern- und Entwicklungsprozess zu diesen Lösungsansätzen können über mehrere sogenannte Dialogrunden (Iterationen) ablaufen.
Warum braucht es den Dialog?
Mit dem Dialog/dem Dialogverfahren wird die Lösung gemeinsam entwickelt und die Anbieter haben die Möglichkeit ihr Wissen und ihre Innovationsfähigkeit einzubringen. Beide Parteien (Beschaffer und Anbieter) erhalten damit ein klares Bild über das zu erreichende Ziel und die Anbieter sind in der Lage überhaupt ein realistisches Angebot resp. präziseres Angebot einzureichen. Für den Beschaffer wird es damit viel wahrscheinlicher, dass er eine geeignete Lösung und einen geeigneten Anbieter findet. Der Dialog bietet ein adäquates und sicheres Instrument wie man mit komplexen Beschaffungen umgehen kann.
Aufgrund von Vorkommnissen in der Vergangenheit wie den INSIEME & Co. werden die Beschaffungsprozesse immer passiver statt aktiver geführt. Das heisst, der Fokus liegt auf der Durchführung beschwerdefreier Beschaffungen.
Leider hat diese zur Folge das praktisch keine Interaktionen mehr mit den Anbietern stattfinden und damit die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass die falsche Lösung und/oder Anbieter evaluiert werden. Dies führt später im Projekt zu erheblichen Herausforderungen und schlussendlich zu hohe Zusatzkosten. Die Probleme werden auf diese Weise nicht gelöst, sondern nur von der Beschaffung in das Projekt verschoben.
Wir sollten daher unseren Fokus ändern - statt auf das was wir zu verlieren glauben, auf das was wir gewinnen können. Wir müssen mutig sein neue Instrumente anzuwenden, damit wir möglichst früh zusammen lernen können.
Unsere Erfahrungen zeigen, der «Mut» lohnt sich.
Was ist der konkrete Unterschied mit dem Dialog?
Der Dialog folgt dem gewählten Verfahren (Offenes oder Selektives Verfahren). Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass das finale Angebot erst nach diversen klärenden Gesprächen (dem Dialog) zwischen den Parteien (Beschaffer und Anbieter) erfolgt.
Zum Beispiel:
- Der Beschaffer veröffentlich seine Ausschreibungsunterlagen.
- Die Anbieter stellen Fragen via Frageforum, welche beantwortet werden.
- Die Anbieter reichen ein «vorläufiges Angebot» (inkl. Lösung resp. Lösungsansatz) ein. Dieses vorläufige Angebot wird nicht bewertet.
- Der Dialog wird gestartet. Der Beschaffer entwickelt gemeinsam mit den Anbietern (meist mit jedem Anbieter einzeln) die jeweiligen Angebote mit ihren Lösungen in einer bestimmten Anzahl von Iterationen (Dialogrunden) weiter. Es findet eine direkte, echte Interkation statt.
- Die Anbieter erstellen aus den gewonnenen Erkenntnissen ein «endgültiges Angebot» (inkl. Lösung resp. Lösungsansatz). Dieses wird wie üblich (oder mithilfe des agile.agreements etwas anders) bewertet.
Wenn die Lösung nicht klar ist und die konkrete Beschreibung erst im Dialog zusammen mit den Anbietern erfolgt, was wird dann in den Unterlagen zum Leistungsgegenstand veröffentlicht?
Es wird lediglich das zu lösende Problem, sowie eine grobe qualitative Beschreibung der notwendigen Leistungen aufgeführt. Was neu dazu kommt sind die Modalitäten (Termine, Fristen, Inhalte, Entschädigungen, Abläufe, Regeln, etc.) des Dialogs. Zudem empfehlen wir einen passenden Vertragsentwurf, wie der des agile.agreements, mitzuliefern, damit dieser auch im Rahmen des Dialogs besprochen und verbessert werden kann.
Und wie erfolgt die Bewertung der Angebote?
Wir empfehlen (im Sinne des agile.agreements) den Fokus der Bewertung auf die Fähigkeiten (wie Zusammenarbeit, Vorgehen, technische Lösungsfähigkeit) des Anbieters zu legen. Dies aus dem Grund, weil der fähigste und passendste Anbieter (Partner) mehr bringt als die beste Lösung. Der Anbieter muss dabei aufzeigen wie er an die Problemstellungen herangeht und wie er diese lösen kann. Dabei ist der Lösungsweg ebenso wichtig wie die Lösung selbst. Vieles davon ist im Dialog selbst beobachtbar, daher ist es sinnvoll diesen auch zu bewerten.
Im Rahmen der Lösung empfehlen wir die Bewertung auf das absolut wesentliche und Bekannte zu legen (bspw. auf das Minimum Viable Product) und sich nicht von langen Anforderungsliste mit «nice to haves» ablenken zu lassen. Damit bewahrt man den Spielraum für andere evtl. innovativere Lösungsansätze der Anbieter.
Wie dir das agile.agreement hilft
Mit dem Fokus in der Beschaffung den optimalen Partner, einem Partner mit dem gleichen Mindset zu finden, wird der Prozess der Lösungsfindung viel kreativer, produktiver und effizienter als mit einem Partner, der nicht passt.
Weiter sind wir überzeugt, dass eine Lösung während seiner Lebenszeit viel weniger Kosten und zusätzlichen Aufwand verursacht, wenn wir den idealen Partner gefunden haben.
Mit dem agile.agreement lässt sich nicht nur die Beschaffung im Rahmen des Dialogs erfolgreicher durchführen, sondern auch die notwendigen vertraglichen Grundlagen besser ausgestalten, im Sinne eines kooperativen Vertrages, damit ein agiles Projekt von beiden Parteien gelebt werden kann.
Das agile.agreement unterstützt die Mechanismen eines agilen Projekts und kann diese im Rahmen einer öffentlichen Beschaffung mit dem Dialog umsetzten. Unsere Experten lieben Herausforderungen und freuen sich gemeinsam mit dir die herkömmlichen Beschaffungsprozesse zu verbessern und neue Wege aufzuzeigen. Gerne berichten wir von unseren bereits durchgeführten Dialogen.
Weiterführende Links:
- Leitfaden Öffentliche Beschaffungen mit Dialog Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB), Stand 2012
- NZZ, Beschaffungspannen bei der Informatik vermeiden, 12.07.2012
- Thomas Molitor, Präsentation an der IT-Beschaffungskonferenz der Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit Universität Bern
Kommentar schreiben