Das agile.agreement und der wettbewerbliche Dialog aus der Perspektive eines Anbieters

Das Framework agile.agreement hilft dir ein agiles Projekt auszuschreiben, zu führen und umzusetzen. Meistens wird es von der Beschaffungsstelle zur Gestaltung ihrer Ausschreibung genutzt. Das agile.agreement eignet sich auch sehr gut im Einsatz des Wettbewerblichen Dialogs (nachfolgend Dialog genannt).

 

Mit diesem Blog möchten wir die andere Seite – die Rolle des Anbieters beleuchten. Dafür haben wir mit Stefan Hediger, Managing Director Public Sector bei Adnovum gesprochen. Adnovum gehört zu den Schweizer Software-Unternehmen erster Wahl und entwickelt Business- und Security-Lösungen in Schweizer Qualität. In seiner Rolle entscheidet Stefan darüber, an welchen Ausschreibungen teilgenommen werden soll und welche Ressourcen für die jeweilige Ausschreibung investiert werden können.

 

Stefan, was ist dein erster Gedanke, wenn du an eure Teilnahmen an Ausschreibungen denkst, die mit dem agile.agreement und dem Dialog gestaltet wurden?

Es handelt sich um einen sehr spannenden Ansatz, insbesondere in Kombination mit dem Einsatz des Dialogs. Wir konnten in diesen Ausschreibungen auch einiges für uns lernen. Wie funktionieren wir als Team? Bei welchen Aspekten ist es wichtig, dass diese angesprochen und kommuniziert werden?

 

Bezogen auf Beschaffungen von agilen Projekten finde ich es eine gute Vorgehensweise, über einen passenden Partner und eine ausführliche Regelung der Zusammenarbeit eine gewisse Sicherheit und Verbindlichkeit zur erhalten. Für den Auftraggeber bietet sich die Möglichkeit, während den Dialog-Runden tiefere Einblicke in eine Firma zu erhalten als dies eingereichte, schriftliche Unterlagen erlauben. Es ermöglicht einen intensiveren Eindruck, wie eine mögliche Kooperation aussehen könnte, da sich die explizite Zusammenarbeit in den Dialog-Runden erleben lässt. Als Anbieter möchte ich jedoch festhalten, dass es unmöglich ist, genau das Team in die Dialog-Runden zu schicken, welches dann auch später an diesem Projekt arbeiten wird. Trotzdem lässt sich die Firmenkultur und die Arbeitsweise auf diese Art erleben.

 

 

Grafik: Das agile.agreement nutzt den Dialog um mit den ausgewählten Anbietern der Shortlist individuell an einer Beispielaufgabe zu arbeiten. Dadurch lässt sich vor dem Zuschlag erleben, wie es sich anfühlt mit diesem Anbieter zu arbeiten. Die in diesen Dialog-Runden gewonnen Erfahrungen fliessen über standardisierte Kriterien die Angebotsbewertung mit ein.

 

 

 

Wie unterscheidet sich eine Ausschreibung mit agile.agreement und dem Dialog von einer «herkömmlichen Ausschreibung» für einen Anbieter?

Da gibt es verschiedene Unterschiede. Es beginnt bei der Erstellung des Angebots. Bei «herkömmlichen Ausschreibungen» werden viele Konzepte, Überblicke, Artefakte und auch ein erster Vorschlag zur Architektur für die Problemlösung verlangt. Bei der Mehrheit von diesen Dokumenten kann man bei jeder Ausschreibung auf die gleichen Templates zurückgreifen. Wenn man diese einmal ausführlich erstellt hat, profitiert man bei jeder Ausschreibung davon. Bei einer Ausschreibung mit agile.agreement ist der Ansatz durch die verschiedenen Dialog-Runden anders, da der Schwerpunkt auf dem Erleben des Teams liegt und man muss vor allem bei der ersten Teilnahme gewisse Dinge neu erstellen oder ein Team auf das Prozedere vorbereiten. Ich muss überlegen, welche Leute für dieses Projekt gut sind, welche Skills in diesem Projekt benötigt werden und welche Leute in der Zeit des Projektes verfügbar sind.

 

 

«Bei einer Ausschreibung mit agile.agreement liegt der Fokus auf dem Erleben des Teams.»

 

 

 

Genau aus diesem Grund macht es sicher wenig Sinn, diesen Aufwand für ein Projekt zu betreiben, für welches es bereits eine passende Lösung am Markt gibt. Das Einsatzgebiet liegt bei Problemstellungen, die die beteiligten Parteien zuvor noch nicht in dieser Art und Weise gelöst haben – man spricht dabei von komplexen Problemstellungen. Mangels Erfahrung im Bereich dieser Problemstellung braucht es deshalb auch eine höhere Expertise und einen gewissen etablierten Standard der Zusammenarbeit in den Teams. Macht es aus deiner Sicht Sinn, diese Zusammenarbeit vorgängig testen zu können? Wie könnte man dies sonst noch tun?

Gerade bei spezifisch auf Bedürfnisse & Anforderungen massgeschneiderte Lösungen ist die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Fachbereichen, wie beispielsweise der internen IT-Organisation des Auftraggebers und dem Anbieter entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg des Projektes. 

 

Für die Zusammenarbeit mit den Anbietern gibt es keine allgemein gültigen Standards, sondern ‘best practices’ Ansätze. Gerade bei neuen Lieferantenbeziehungen ist nach meiner Erfahrung wichtig, der Zusammenarbeit hohe Aufmerksamkeit zu schenken. Neben den einzusetzenden Tools und Prozessen müssen auch die Rollen und Verantwortlichkeiten abgestimmt werden. Hier helfen Checklisten und beidseitige Erfahrungen, damit man möglichst rasch und mit Klarheit starten kann.

 

Oft wird bei solchen neuen Konstellationen mit einem sogenannte ‘null’ Sprint gestartet. Dabei werden keine Artefakte erarbeitet und geliefert, sondern einzig die Zusammenarbeit und die Zeremonien geübt. Die Aufwände rechnen sich in der Regel sehr rasch, da mit den ‘null’ Sprint viele Probleme stresslos gefixt werden können.

 

Bei agilen Ausschreibungen wäre es natürlich sehr spannende solche ‘null’ Sprints mit den favorisierten zwei oder drei Lieferanten durchzuführen, um dann diese Erfahrungen in die definitive Entscheidung mit einzubeziehen.

 

 

Gibt es etwas, dass dich als Anbieter bei einer Beschaffung mit dem agile.agreement zu einem Umdenken bewogen hat?

Ja, tatsächlich. Durch die Art und Weise, wie die Ausschreibung mit den Dialog-Runden gestaltet ist, muss ich mich bereits früher ausführlich mit dem Projekt befassen. Welche Leute werde ich in diesem Projekt benötigen, wer ist ein guter Kommunikator und hilft mir in den Assessments das rüber zu bringen was uns ausmacht? Können wir die gesuchte Problemlösung entwickeln und haben wir die passenden Leute dazu? 

Dadurch, dass ich mir diese Dinge bereits im Vorfeld überlege, habe ich auch eine präzisere Vorstellung wie unsere Chancen auf einen Zuschlag stehen. Da es sich bei Ausschreibungen mit dem agile.agreement um WTO’s im Bereich komplexer Problemstellungen handelt, braucht es diesen etwas anderen Ansatz. Bei einer klassischen Ausschreibung, bei der ich gewisse Dokumente standardmässig einreichen muss, mache ich hingegen manche Überlegungen möglicherweise erst zu einem späteren Zeitpunkt. 

 

 

«Durch die Art und Weise der Ausschreibung muss ich mich bereits früher ausführlich
mit dem Projekt befassen.
»

 

 

Führt diese Beobachtung deiner Meinung nach zu effizienteren Ausschreibungen, weil Angebote, die nur bedingt passend sind, gar nicht erstellt werden und auch von der Beschaffungsstelle nicht bewertet werden müssen? Oder gehen dadurch Angebote von Partnern verloren, die auf den ersten Blick nicht als passend beurteilt würden dabei aber einen neuen Ansatz für ein zu lösendes Problem gebracht hätten?

Eine Ausschreibung mit agile.agreement bedeutet für mich als Dienstleister ein Investment. Wir müssen uns zu Beginn sehr gut überlegen, ob wir uns bei einer Ausschreibung mit agile.agreement engagieren wollen/können oder nicht. Es geht vor allem um die Fragen, warum gerade wir die Ausschreibung gewinnen können. Ich kann mir schon vorstellen, dass insbesondere kleinere Firmen sich dieses Investment nicht mehrmals pro Jahr leisten möchten.

 

Bei einer ‘klassischen’ Ausschreibung ist die Eintrittshürde wesentlich geringer und wir können viel mehr auf bestehende Vorlagen und Konzepte zurückgreifen. Bei einer Ausschreibung mit agile.agreement steht viel mehr die Zusammenarbeit und das gemeinsame Vorgehen im Vordergrund, was nur zusammen mit dem Kunden in einem entsprechenden Assessment bewertet werden kann. Aus Sicht der Ausschreibungsstelle ist die Ausschreibung mit agile.agreement eine sehr spannender Ansatz, welcher ihnen vielfältigere Bewertungskriterien für die künftige Lösung mit dem künftigen Lieferanten ermöglicht.

 

Letztlich fokussiert alles auf das Ziel, dass die beste Lösung mit dem wirtschaftlich besten Angebot den Zuschlag erhält.

 

 

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